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«If your CEO has any hair left, he or she is going to tear it out and then ask for your help in taming this torrent of people expressing themselves. But this movement can’t be tamed.»

(Li & Bernoff, 2011)

Diese Bewegung kann nicht gebändigt werden! Was nach Revolution klingt oder im Internetzeitalter sich des Öfteren in einem Shitstorm ausdrückt, ist nichts anderes, als dass Menschen tun, was in ihrer Natur liegt:  Sie kommen zusammen, bilden eine Gemeinschaft und nutzen ihre Stimme.

Diese Bewegung wird «Groundswell» genannt. Genau diesen Groundswell kann man aber lernen zu verstehen, ihn nutzen und aufblühen lassen.

Was Du in diesem Beitrag erfährst:

  1. Was die Groundswell-Theorie ist
  2. Woraus die POST-Methode besteht
  3. Welche Taktiken sich daraus ergeben
  4. Als Unternehmen verstehen und umsetzen

Das Internet und vor allem das Web 2.0 ist allen ein Begriff und aus unserer Welt wie wir sie kennen, nicht mehr wegzudenken. Web 2.0 beinhaltet eigentlich nur die Weiterentwicklung des Internets in seiner Form der Kommunikation. Wo früher der exemplarische Marktschreier sein Angebot einer grossen Audienz präsentiert hat, sind wir seit der Möglichkeit der Interaktion bei einem Marktplatz voller kleiner und grosser Händler. In diesem Zusammenhang wird in der Kommunikation von «one to many», wie früher; und «many to many» so wie wir es heute kennen gesprochen.

Was ist die markante Verschiebung?

Es ist, dass wir in Blogs kommentieren können, in sozialen Netzwerken um «digitale Lagerfeuer» zusammenfinden, dass wir selbst zu Online-Händler werden oder die Politik zum Handeln bringen. Social Media und die Weiterentwicklung des Web haben es uns ermöglicht, dass wir das Prinzip unserer Bedürfnisbefriedigung nicht mehr auf traditionellem Wege anwenden. Wir sind nicht mehr gezwungen, nur bei einem Unternehmen ein Paar Schuhe zu kaufen oder die Gartenarbeit professionell verrichten zu lassen. Wir können uns dafür auf Plattformen die Angebote einholen. Das Internet steht seit langem nicht mehr alleine. Spätestens seit bekannt ist, dass eine Website nicht mehr nur eine digitale Visitenkarte darstellen sollte, sondern einen Auftrag zu vollbringen hat, muss dieses Prinzip auch in die Kommunikation und Interaktion der sozialen Netzwerke übertragen werden. Denn was im Unternehmenskontext Online beginnt, wird vielfach Offline beendet. Diese Brücke ist nicht einfach zu schlagen. Zu oft ist die eigene Präsenz in den sozialen Netzwerken mangels Ressourcen und Strategie schlecht bis gar nicht gepflegt. Dabei sollte man sich aber folgendes im Klaren sein: Lieber keine Social Media Profile als Schlechte! Doch wie eine Strategie erstellen und die wenigen Ressourcen optimal einsetzen?

Die Groundswell-Theorie

«The Groundswell is a spontaneous movement of people using online tools to connect, take charge of their own experience, and get what they need –  information, support, ideas, products, and bargaining power – from each other.»

(Li & Bernoff, 2011)

Groundswell bezeichnet den Moment, an dem Menschen online zusammenkommen und in gemeinsamem Interesse, Dinge voneinander erhalten, seien dies materielle oder immaterielle. Am Beispiel von Facebook ist dies exemplarisch darzustellen. Das zentrale Element des Netzwerks ist die Community. Der Austausch ist allgegenwärtig. Die Untersuchung welche Hootsuite dazu zusammengefasst hat, zeigt dies sehr schön auf. 86% aller Internet-Nutzer haben innerhalb der letzten 30 Tage mit Beiträgen interagiert oder selbst Beiträge gepostet. Da verwundert es auch nicht, dass gerade die Gruppen, welche in einer Vielzahl auf Facebook existieren, sich zu aktiven Ökosystemen gewandelt haben, welche für kleine Unternehmen zu einem Umsatztreiber geworden sind. Denn hier ist eine Reichweite garantiert und die Intention innerhalb der Gruppe ist gemittet, sonst wäre man nicht beigetreten. Wer sich für die kompletten Slides interessiert, sind diese hier auffindbar: https://datareportal.com/reports/digital-2020-switzerland

hootsuite Zusammenfassung der Untersuchung über die Verhalten in Social Media Schweizer Internet-Nutzer.

Wie aber kann man nun aus einer ziemlich vereinfachten Theorie eine Methode entnehmen, welche einen Nutzen bringen soll?

Die POST-Methode

Social Media kann in vielen Bereichen einen Mehrwert bieten. Customer Service beispielsweise, hier eröffnen sich Möglichkeiten, dass sogar öffentlich auf eine professionelle, aber auch persönliche Art und Weise der Kontakt mit Kunden gepflegt werden kann. Das Marketing ist allgemein die erste Chance, welche erkennt wird. Hierfür bietet sich die POST-Methode an und besteht aus den Elementen: PEOPLE, OBJECTIVES, STRATEGY, TECHNOLOGY

People

In der POST-Methode bezeichnet PEOPLE die Zielgruppe. Dabei nicht nur im Sinne von «Wer sind sie, ihr Alter, ihre Interessen und Kaufkraft», sondern wofür sind sie bereit zu investieren? Würden sie Beiträge verfassen, Kommentare oder einfachere Reaktionen hinterlassen? Solche Personen sollte man identifizieren, denn sie sind wahre Treiber, wenn es darum geht, eine Community aufzubauen. Damit man gewisse Gemeinsamkeiten solcher Personen findet, kann die «Technographics Ladder» von «Forrester Research Inc.» hinzugezogen werden. Diese ist über die Bildersuche von Google leicht zu finden. (Anmerkung: Der vollständige Report hingegen ist kostenpflichtig und nicht gratis einsehbar) Diese Grafik zeigt auf, welche Arten von Nutzer es im Web gibt. Wichtig dabei ist aber, das eine Person mehrere Rollen einnehmen kann oder zwischen diesen hin und her wechselt.

Es ist aber zu bedenken, wie aktiv Personen wirklich auf Social Media sind, weshalb die spätere Zielsetzung mit der Aktivität der zukünftigen Community passen sollte. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass 90% der User nur Inhalte lesen, 9% kommentieren, sharen und liken Inhalte und gerade einmal 1% sind aktiv und erstellen Inhalte. Um entsprechend darauf zu reagieren, kann mittels den Objectives eine Community entdeckt, aktiviert und gepflegt werden.

Objectives

Gemäss der POST-Methode existieren 5 Taktiken, resp. Zielsetzungen:

  1. Listening
  2. Talking
  3. Energizing
  4. Supporting
  5. Embracing

Listening

Listening kann eigentlich einem Monitoring gleichgesetzt werden. Wie der Begriff wörtlich übersetzt meint, hört man zuerst nur zu. In gewissen Fällen reicht dies bereits auch aus, denn: LIEBER KEIN SOCIAL MEDIA PROFIL, ALS EIN SCHLECHT GEPFLEGTES!

Diese passive Variante eignet sich, wenn praktisch keine Ressourcen vorhanden sind und man zusätzlich etwas Marktforschung betreiben will.

Vor allem sollte damit immer begonnen werden. Es kann einerseits eine genaue Untersuchung der bestehenden Community vorgenommen werden und/oder eine bestehende und passende Community entdeckt werden. Deshalb gibt es beim Listening zwei Varianten welche verfolgt werden sollten:

  1. Eigene Community aufbauen und zuhören
  2. Fremder Community zuhören

Was kann ergründet werden:

  • Die Erwähnungen des eigenen Unternehmens
  • Erwähnungen der Konkurrenz
  • Informationen aus der Branche

Dies ist dienlich um:

  • Positives / negatives Image der Unternehmung zu prüfen
  • Zu erlernen wie sich ein Buzz (Gerüchte, Hype) entwickelt
  • Produkt- und Marketingideen zu entwickeln
  • PR-Krisen aktiv zu managen
  • Influencer zu entdecken

Talking

Sei offen für Dialog. Das Social Web lebt von Interaktion und hinter jedem Kommentar, Post oder auch nur Like stehen Menschen (in den meisten Fällen zumindest). Talking ist also die eigene Aktivität auf den Sozialen Netzwerken. Welche Wege gibt es zur Community:

  • Auf Social Media und Bewertungsplattformen austauschen
  • Der Blogsphäre beitreten
  • Virale Videos verbreiten

Hat man eine aktive Community identifiziert und ihre Bereitschaft zur aktiven Teilnahme und Interaktion festgestellt, sollte zwingend planmässig vorgegangen werden.

Wie baust Du deine Community auf:

  • klein beginnen und gross planen
  • aktive Kunden zuerst angehen
  • Massnahmen entwickeln, um Traffic auf die Community zu lenken
  • Reputationssystem planen
  • Durch Kunden in der Entwicklung leiten lassen (gegenseitiger Profit und Teilhabe)

Community-Aufbau ist auch Kontrollverlust. Eine Entwicklung die Zeit und vor allem ein Kulturwandel benötigt. Wer schnelle Ergebnisse will, ist hierbei falsch beraten, sich an sein übliches Setting zu halten.

Energizing

Hierbei wird der Kunde aktiv eingebunden. Der Kunde wird selbst zum Marketer, denn langfristig vertrauen Menschen eher Menschen als Unternehmen.

Welche drei Wege es gibt:

  1. Bewertungen und Rezensionen integrieren
  2. Community Management:
    – Auf Kritiker eingehen
    – Community soll merken, dass ihre Anliegen ernst genommen werden
  3. In externen Communities interagieren

Supporting

Mit Foren, Wikis oder auch Q&A’s auf deiner Website bietest Du Hilfestellungen. Grössere Firmen beweisen dies, da sie eigene Hilfeforen erschaffen haben, bei welchen Kunden sich gegenseitig helfen. Dies schafft eine ungemeine Bindung, sollte aber stets moderiert werden.

Embracing

Die Kunden in Innovationsprozesse miteinbeziehen. Dies kann im einfachsten Fall bereits damit starten, dass Du die Rezensionen und Bewertung wirklich nutzt und aus diesen Kommentaren verbesserte oder sogar neue Produkte/Services schaffst. Es kann auch in Zusammenarbeit mit den Kunden eine Innovationskampagne gestartet werden oder noch besser, eine Innovationscommunity. Hier kann man sich ein wenig am Open Source-Gedanken anlehnen. Software wird hier kontinuierlich von freiwillig Beteiligten Entwickeln verbessert, erneuert oder sogar erfunden.

Strategy

Ein Bild, das Text, Visitenkarte enthält.

Automatisch generierte Beschreibung
Groundswell oder auch Social Media Strategien

Die Strategie für Dich orientiert sich ein wenig an den Taktiken. Zu Beginn empfiehlt es sich, zu beobachten. Daraus startet eine Test-Phase, bspw. mit einem spezifischen Teil-Markt. Die Erkenntnisse daraus sollen in der Koordinationsphase dazu dienen, interne Prozesse und Strukturen zu verbessern. Daraufhin wird skaliert, überprüft und optimiert. Die Empowering-Phase dient schlussendlich dazu die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren und noch mehr Wert mittels der Community generieren.

Technology

Die Technologie ist lediglich noch Teil der finalen Umsetzung. Hierfür muss vorweg geklärt sein, was erreicht werden will und mit welcher Strategie man dies angehen möchte.

Was kannst Du als Unternehmen nun machen?

Definiere zuerst für Dich, was Du erreichen willst. Nehmen wir an, ihr seid ein Ingenieur-Team, welches die Industrie 4.0 vorantreiben möchte. Hier lohnt es sich, tief in die Blogsphäre einzutauchen. Es ist sicher notwendig, sich via LinkedIn mit Entscheidern, Personen aus der Branche zu vernetzen und dem Netzwerk praktische Informationen zu Verbesserungen zu liefern. Doch in der Blogsphäre könnten Personen aus der Praxis anzutreffen sein, die über die täglichen Probleme berichten. Hier mit dem Listening-Ansatz die Pain Points definieren. In einem nächsten Schritt kann man in diesen Blogs selbst aktiv werden und vielleicht bereits in die Supporting-Phase eintauchen. Wäre ein SEO-optimiertes Wiki, mit How-to’s etwas passendes und könnten Personen dazu eingeladen werden, selbst Beiträge zu verfassen?

Logisch ist dies etwas vereinfacht dargestellt. Doch es zeigt auf, dass nicht immer ein typisches Muster verfolgt werden muss, sondern Zielgruppe, Ziele und Kanäle aufeinander abgestimmt werden müssen.

Tl;dr

Groundswell nutzt durch strategische Überlegungen und Umsetzungstaktiken das Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaftsbildung und Informationsaustausch. Dabei wird unter einem langfristigen Aspekt eine Zielgruppe identifiziert, ihr Verhalten beobachtet und erst daraufhin an ihrem Leben teilgenommen. Ziel ist es, die Schöpfungskraft und die Multiplikation einer Community zu nutzen, um das eigene Unternehmen voranzutreiben. Groundswell ist also mächtig und lohnenswert, wer den Aufwand und die Ressourcen nicht scheut.

Quellen:
Li, C., & Bernoff, J. (2011). Groundswell: Winning in a world transformed by social technologies (Expanded and revised ed). Harvard Business Review Press.
Grafiken:
https://datareportal.com/reports/digital-2020-switzerland
Alle weiteren Grafiken wurden erstellt durch Luca Conconi